Carsten „Erobique“ Meyer
Jacques Palminger
Chris Dietermann
SONGS FOR JOY
Der Versuchsaufbau ist denkbar einfach.
Ein öffentliches Studio im Foyer der Studiobühne des Berliner Maxim Gorki Theaters. Ein Radiojingle und ein paar Zeitungsanzeigen: „Lieben Sie Musik? Singen Sie gerne? Schreiben Sie Gedichte? Schicken Sie uns Ihre Texte!“
Was daraus entstand, ist die beste Zeit, die man mit Musik nur haben kann. Zwei Wochen lang ein Lied nach dem anderen, von morgens spät bis tief in die Nacht. Es gibt die Textsammlung und der Text, der gerade oben liegt, wird genommen.
Die Gäste nicht bewerten, sondern bewirten. Persönliche Wünsche werden natürlich berücksichtigt. Zwei Stunden topexklusive Zeit, während der die Musik komponiert, arrangiert und nach Möglichkeit mit dem Dichter oder der Autorin eingesungen wird.
So sind 21 Glasbausteine unterschiedlicher Färbung entstanden, die alle das Licht der Sonne in sich tragen.
Gebündelt haben wir dieses Projekt nun auf einer CD. Mit vielen ungereinigten Reimunfällen, bizarren Metaphern und schönster Inbrunst im Vertrauen auf eigene ungehemmte Kreativität – dazu fantastische Musik aus allen möglichen Welten. Wir sagen Soul dazu.
Alle Stücke sind arrangiert und eingespielt von Carsten Meyer (Erobique), Christoph Dietermann (Universal Gonzalez) und Jacques Palminger (Studio Braun).
Popmusikalische Randnotiz: Das Projekt „Songs for Joy“ orientiert sich an dem klassischen, aber weithin unbekannten Musikzweig der „Song Poem Music“. Das waren thematisch schwer einzuordnende, von Amateuren ohne Kenntnis der klassischen Songwriting-Traditionen verfasste Stücke, die dann von Profi-Musikern mit möglichst wenig Aufwand vertont wurden. Dafür mussten die Autoren auch noch bezahlen, denn sie bekamen eine Single in die Hand gedrückt, die in fast allen Fällen (was wunder) völlig floppte. Viele dieser Songs sind musikalisch eher banal, leben aber von der Spannung, die durch die bizarren Texte entsteht. Heute sind diese Preziosen gesuchte Sammlerstücke.
DIE PRESSE:
»Songs for joy heißt Liebe / Songs for joy heißt Spaß / Songs for joy heißt ganz bestimmt nicht / Peinlichkeit und Ha-hass«. Pardon, dass ich hier gleich so reinplatze mit einem Songtext, doch es gibt Gründe. Denn »Songs For Joy«, das ist die modernste Pop-Platte – ihre Macher bezeichnen den Stil lieber als Soul, damit haben sie genauso Recht – die modernste Pop-oder Soul-Platte also zur Zeit. Sie verbindet Karaoke mit dem Social Web-Gedanken. Was haben Carsten Meyer, auch bekannt als Erobique, Teil von International Pony, Chef von Salamander Meyer, und Jacques Palminger, Part von Studio Braun und Schlagzeuger bei Universal Gonzales, hier also denn so chefkonzipiert? Nun, sie haben eine alte Tradition aufgegriffen: die »Song Poem Music«. In den Sixties verteilten gewiefte Labels in den USA ihre Flyer und warben darauf mit der Vertonung aller Songtexte, die bei ihnen eingereicht würden. Darauf meldeten sich natürlich vor allem die Amateure ohne größere Hoffnung, und sie wurden entsprechend abgezockt.
»Songs For Joy« dagegen ist tatsächlich eine Freude und das Gegenteil von zynisch. »Die Gäste nicht bewerten, sondern bewirten« lautete eine Maxime von Meyer und Palminger, die in Kooperation mit dem Maxim Gorki Theater Berlin ebenfalls nach Songtexten suchten und die Einreichungen schließlich live im Saal vertonten. Auf eine CD gebündelt, tanzen nun 21 Lieder plus dem von Songs For Joy in Berlin ausgestrahlten Radio-Jingle die Showtreppe des Blumenstrauß-Pop hinunter. Die Klasse 4D singt ihren Anti-Gewalt-Song, Rica Blunk das »Wohlfühllied« von Texter Jens Gebhardt, und das ganze anwesende Publikum schreit ein expressionistisches Gedicht einer Nina namens »Des Wolfes Zitzen«. Ach. Diese Platte wirkt so anti-befremdend, sie hebt das Schamgefühl auf, dass sich mitunter in Casting-Show-Momenten durch bloßes Zusehen einstellt. Doch um bloß an die höheren Humanismus-Instinkte zu apellieren, hätte ja ein Buch ausgereicht. »Songs For Joy« dagegen hat sie, die Lieblingssongs, die man nach zweimal hören nur noch vor sich hin singt und mit denen man alle Leute um sich gerne nervt. Meine sind: die Gewalt aus Eifersucht befürwortende Ballade »Jähzorn in meinem Herzen«, die Piano-Schnulze »Kathrin und Lars« (endlich spielt ein Song mal am Potsdamer Platz, wer wagt schon soviel Realismus), und Anika Baumanns psychedelischer Orgel-Disco-Knaller »Nett« (»Nett ist die kleine Schwester von scheiße)«. Zutiefst berührt.
(Christoph Braun/Spex)
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Ein öffentliches Studio im Foyer der Studiobühne des Berliner Maxim Gorki Theaters. Ein Radiojingle und ein paar Zeitungsanzeigen: "Lieben Sie Musik? Singen Sie gerne? Schreiben Sie Gedichte? Schicken Sie uns Ihre Texte!" Was daraus entstand, ist die beste Zeit, die man mit Musik nur haben kann. Das sagen Carsten Meyer und Jacques Palminger, die zusammen mit Christoph Dietermann die Stücke arrangierten und einspielten, die ihnen diese wunderbaren Amateure um die Ohren schmissen. Voller Inbrunst die schlafenden Hunde wecken, die ansonsten als Schattenriss in Studierzimmern verenden. "Volksmusik" im einzig wahren Sinn des Wortes, alles voll Soul. Soul, Alter! Mehr als 70 Minuten Kreativ-Antipausen, schief und schön. Die Autoren? Nie gehört. Will never either. Aber für eine Platte die Schätze heben, die da draußen glänzen. Jenseits von irgendwelchen Jugendzentren, Plattenindustrie-Mechanismen, Schindlers Gästeliste. Eine bezaubernde Gegenwelt, so gänzlich unaufgesetzt und - ja, es muss gesagt und auch so gemeint werden - ehrlich.
(Marco Fuchs/Intro)